Hausbootpioniere und Hausbootvermieter


Hausbootpioniere

Historisches Seegelboot

Der erste bekannte Hausboottourist dürfte Henry Montagu Doughty gewesen sein, der in den Jahren 1890-1891 in Mecklenburg als Tourist unterwegs war. Sein Boot die Gipsy war ein umgebauter englischer Lastsegler von 16 m Länge und über 4 m Breite. Das Boot verfügte über ein Deckshaus, das achtern recht niedrig und in Richtung Bug höher war. In der Mitte befand sich ein Salon mit großem Esstisch und seitlichen Fenstern. Im niedrigeren hinteren Teil befanden sich die Herrenkabine und eine für damalige Verhältnisse moderne Küche. Die Damenkabine im vorderen Teil umfasste vier Betten nebeneinander. Sowohl die Herren- als auch Damenkabine verfügte über ein kleines Bad. Mit dieser Ausstattung war das Boot auf seinen Fahrten ein viel bestauntes Schiff. Mit diesem Boot vom Typ »Norfolk Wherry« befuhr er die mecklenburgischen und märkischen Gewässer bis Böhmen. Zuvor hatte er die Norfolk Broads in England sowie die Niederlande bereist. Seinen zweijährigen Törn quer durch Deutschland beschrieb er ausführlich in einem Buch, dass auf deutsch unter dem Titel "Mit Butler und Bootsmann" erschienen ist. Dieses ist nicht nur spannend und interessant zu lesen, sondern vermittelt auch viele regionale und kulturgeschichtliche Informationen der damaligen Zeit. Durch die deutsche Wiedervereinigung ist ein solcher Törn auch heute wieder möglich.

 

Dank Marie von Bunsen gibt es nicht nur männliche Hausbootpioniere, wenn man den Begriff Hausboot etwas großzügig fasst. Diese deutsch-englische Adelige unternahm Anfang des 20. Jahrhunderts ein- bis zweimonatige Flusswanderungen mit einem Ruderboot auf deutschen Gewässern. 1905 war sie mit einem geliehenen Hund und einem zu Beginn der Reise nicht funktionierenden Revolver auf der Havel von Potsdam bis Wittenberge unterwegs. 1908 reiste sie auf der Werra und der Weser, 1909 auf der Oder bis Frankfurt, 1910 auf dem Neckar und 1915 in Mecklenburg und Brandenburg von Schwerin bis Potsdam. Meistens aß und schlief Sie im Boot. Nächtigte Sie in Gasthäusern oder bei Verwandten und Bekannten, musste ihre Hausangestellte vorausreisen, um entsprechend standesgemäße Kleidung für Marie von Bunsen zum Reiseziel zu bringen. Die ersten drei Reisen mit dem Ruderboot veröffentlichte Sie 1914 in dem Buch "Im Ruderboot durch Deutschland", das 2012 nachgedruckt wurde. Die Reisebeschreibung der letzten Tour von Schwerin bis Potsdam ist in dem Buch "Wanderungen durch Deutschland" enthalten. Alle vier Reisen im Ruderboot wurden 1994 nochmals zusammengefasst und von Gabriele Habinger unter dem Titel "Im Ruderboot durch Deutschland.  Auf Flüssen und Kanälen in den Jahren 1905 bis 1915" herausgegeben.

 

Ein weiterer Hausbootpionier war Cecil Scott Forester. Der erfolgreiche englische Schriftsteller und Journalist, der vor allem mit der Horatio-Hornblower-Reihe bekannt geworden ist, befuhr 1929 zusammen mit seiner Frau in seinem nur fünf Meter langen Motorboot ANNIE MARBLE mehrere Monate die Mecklenburger und Brandenburger Gewässer. Im Gegensatz zum offenen Ruderboot von Bunsen verfügte sein Boot über ein Bootszelt, das Schutz vor Wind und Regen bot. Nach der Überführung seines Bootes nach Hamburg führte ihn die Reise zunächst die Elbe stromaufwärts und über die Havel bis Berlin. Danach befuhr er die Elde von ihrer Mündung bei Dömitz über Schwerin, bis zur Müritz. Über den Finowkanal gelangte er bis Stettin und trat von dort die Rückreise nach England an. Die spannenden und sehr unterhaltsam geschriebenen Reiseerlebnisse veröffentlichte Forester 1930 in dem Buch "The Annie Marble in Germany", das 1938 in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Eine Bootsfahrt in Deutschland" herausgegeben wurde.

 

Der vierte große Hausbootpionier ist L.T.C. Rolt – ein Engländer wie Doughty, der 1936 ein Kanalboot zum Hausboot umbaute und die englischen Kanäle bereiste. 1944 beschrieb er seine Erfahrungen dieser Reisen in einem Buch, das zum Bestseller wurde und zur Gründung der Inland Waterways Association (IWA) führte. Die Gesellschaft setzte sich für den Erhalt der englischen Kanäle ein, von denen viele nach der Verstaatlichung geschlossen werden sollten. 1946 unternahm er mit einem umgebauten ehemaligen Rettungsboot eine Reise auf den irischen Kanälen. Seine Tour führte von Athlone über den Grand Canal bis Dublin und zurück über den Royal Canal bis zum Shannon. 1949 veröffentlichte er seine Erlebnisse in dem Buch "Green & Silver", das 2011 erneut aufgelegt wurde. Dieser Bericht spielte wiederum eine wichtige Rolle für die Gründung der Inland Waterways Association of Ireland (IWAI).

 

Der fünfte Hausbootfahrer dieser Auswahl ist ebenfalls Engländer und Autor. Hugh McKnight befuhr ab 1968 fast 20 Jahre die französischen Wasserwege und veröffentlichte seine Erfahrungen in dem Buch "Frankreichs Flüsse und Kanäle, Handbuch für Binnenskipper", das eine der ersten Gesamtdarstellungen des französischen Kanal- und Flusssystems darstellt.


Hausbootvermieter

Hausboot am Steg

Die Geschichte der bekannten Hausbootvermieter hat eine nicht ganz so lange Tradition, reicht aber dennoch einige Jahrzehnte zurück. Bereits in den 1950er Jahren begann man, die alten Narrowboats in England liebevoll zu restaurieren und für die Freizeitnutzung herzurichten. Diese besonders schmalen und offenen Lastkähne waren für die geringen Maße des englischen Kanalssystems konstruiert. Manche der Boote wurden von Tieren oder Menschen gezogen (getreidelt), manche hatten einen Dampfantrieb oder schon einen Einzylinder-Dieselmotor. In der Folge setzte in den 1960er Jahren eine große Welle freiwilliger Arbeiten zur Wiederherstellung der englischen Kanäle und Wasserbauwerke ein, um sie für die touristische Nutzung zu erschließen. Die Engländer sind damit die Pioniere des Hausboottourismus, obwohl man die Ursprünge des Bootscharters häufig mit Frankreich in Verbindung bringt. Das geschieht nicht ganz zu Unrecht, denn Frankreich hat sich vor allem mit dem Neubau von Hausbooten für die ausschließliche Freizeitnutzung frühzeitig einen Namen gemacht. Die Firma Connoisseur bot bereits in den 1950er Jahren Boote in den Norfolk Broads an. Ab 1969 vermietete der Journalist Michael Streat – wieder ein Engländer –unter der Marke »Blue Line Cruiser« Boote in Toulouse am Canal du Midi. Aus der Verbindung mit dem zweiten englischen Vermieter Crown Line ging das Unternehmen Crown Blue Line hervor. Crown Blue Line und Connoisseur schlossen sich dann 2008 mit dem Anbieter Emerald Star unter der Dachmarke le boat zusammen. Heute gehört le boat zu TUI Marine und ist Teil des TUI Konzerns. Nach so vielen Zusammenschlüssen ist es kein Wunder, dass le boat die größte Hausbootflotte Europas besitzt und diese in 9 Ländern anbietet.

 

Seit 1977 bereichert der Anbieter Locaboat den Chartermarkt. Neu war zu der Zeit, dass Entwicklung, Produktion und Vermietung von Booten in einer Hand lagen. Mit den Booten der Marke »Pénichette«, die seit 1980 in der Bretagne gebaut werden, wurde in Anlehnung an die französischen Lastkähne vom Typ »Péniche« ein ebenso markanter Hausbootstyp wie die Kormoran-Boote der Kuhnle-Werft in Mecklenburg kreiert.

 

Seit 1986 gehört Nicols zu den großen Hausbootanbietern. Die Fertigung der Boote erfolgt seit Gründung in der eigenen Werft im westfranzösischen Cholet.

 

Das wahrscheinlich bekannteste Unternehmen für Bootscharter in Deutschland ist Kuhnle-Tours, deren Boote durch fast jede Fernsehsendung schippern, die sich mit Wasser und Natur Norddeutschlands befasst. Kuhnle begann 1981 in Stuttgart mit dem ersten Yachtcharter-Prospekt. 1984 wurde die Kuhnle-Tours GmbH gegründet und 1991 die erste Hausbootbasis in den neuen Bundesländern eröffnet. Das Markenzeichen von Kuhnle-Tours sind die Hausboote vom Typ Kormoran, die aktuelle Baureihe heißt »Aquino«.

 

Auch die Geschichte des Anbieters »Yachtcharter Schulz« zeugt von unternehmerischer Initiative, Durchhaltevermögen und Erfolg. Inzwischen umfassst die Flotte 100 Schiffe. Thomas Schulz gründete das Unternehmen 1995 unter dem Namen »Müritzcharter« mit einem gebrauchten Hausboot das sich »El Paso« nannte und vom Komfort der aktuellen Hausboote weit entfernt war. 1998 wurde das Unternehmen in »Yachtcharter Schulz« umbenannt. Besonders stolz ist man auf die Boote der Hausmarke »SCHULZ40«– ein Stahlverdränger für 4 Personen. Dieser Bootstyp ist nicht nur technischauf dem neusten Stand – er setzt auch farblich neue Akzente auf dem Wasser.

 

Die genannten Vermieter sind nur eine sehr kleine Auswahl einzelner, überregional tätiger Anbieter, die eine lange Hausbootgeschichte aufweisen können. Das bedeutet nicht, dass die vielen anderen Anbieter keine spannenden Geschichten zu erzählen hätten. Ein Beispiel ist Karl Heinzig, Inhaber von Yacht Charter Heinzig. Er wollte sich 1997 mit 57 Jahren nicht zur Ruhe setzen und begann mit zwei Booten die Vermietung. Heute sind es etwa 30 Yachten. Die Themen-Touren von Yacht Charter Heinzig zeigen, dass neue Konzepte viel innovatives Potential bei der Gestaltung eines Hausbooturlaubs bieten.