Bewertungssysteme im Wassertourismus


Eine typische Frage für den Hausbootreisenden ist: „Was sind besonders schöne und gut ausgestattete Anleger oder Hafenanlagen, an denen sich eine Rast lohnt?" Wir wären nicht in Deutschland, wenn das nicht genau mit Zertifizierungssystemen geregelt wäre. Typisch ist leider auch, dass es viele verschiedene und pro Bundesland spezifische Klassifizierungen gibt. Immerhin beschäftigt man sich quer durch alle Bundesländer mit der Vermarktung des Wassertourismus, wozu es dutzende Studien und Konzepte gibt. Am Ende steht der Wassertourist vor beworbenen Leistungen, die er nur schwer miteinander vergleichen kann. Das Projekt „Marketinginitiative Wassertourismus" verfolgt seit 2001 das Ziel, unter einem bundesweit einheitlichen Dachsiegel Service und Qualität der Wassersportanlagen vergleichbar zu machen und ein Qualitätsversprechen für die Gäste zu bescheinigen. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Dahinter verbirgt sich eine einheitliche qualitative Bewertung von Wassersportanlagen in Deutschland, um eine höhere Transparenz und Nutzerfreundlichkeit zu erreichen.


Unter dem Dachsiegel „Wassertourismus Deutschland" wurden drei Qualitätsmodule definiert.


„Information", „Klassifizierung"und „Zertifizierung" dokumentieren eine standortbezogene und geprüfte Qualität. Sportboothäfen, die diesem Qualitätsanspruch genügen wollen, müssen mindestens zwei Gastliegeplätze, 230 V Stromversorgung, Toilettenanlagen, Wasseranschlüsse, Müllentsorgung, Sicherheitsausrüstung und weitere Infrastruktur aufweisen.


Das Qualitätsmodul „Information"

umfasst das sogenannte Pollersiegel, was vorrangig für Vereinsanlagen gedacht ist.


Das Qualitätsmodul „Klassifizierung"

dient der Bewertung von Sportboothäfen nach bundesweit einheitlichen Steuerrädern des ADAC. Die teilweise noch existierenden blauen Sterne des DeutschenTourismusverbandes (DTV) und des Bundesverbandes Wasserwirtschaft (BVWW) sollen zukünftig in die Steuerräder überführt werden. Die Anzahl an Steuerrädern von 0 bis 5 bewertet das Angebot der jeweiligen Wassersportanlage als unzureichend, eingeschränkt, standard, gehoben, komfortabel und außergewöhnlich. Die Steuerräder findet man beispielsweise beim ADAC-Marinaführer digital unter www.adac.de/marinafuehrer.


Das Qualitätsmodul „Zertifizierung"

wurde 2014 eingeführt und ist vor allem für kanutouristische Betriebe, Charteranbieter sowie Betreiber von Wassersportanlagen gedacht. Diese können sich eine geprüfte Qualität in ihrer Arbeit zertifizieren lassen und mit dem Signet „Wassertourismus Deutschland" werben. Diese Zertifizierung soll ein bundeseinheitliches Qualitätsmanagement schaffen.


Momentan gibt es länderspezifische, wassertouristische Konzepte wie das „Maritime Qualitätsmanagement" (MQM) in Mecklenburg-Vorpommern oder das „Blaue Band" in Sachsen-Anhalt. Am häufigsten wird Ihnen das wassertouristische Informationssystem „Gelbe Welle" begegnen, das als Wasserleitsystem im Rahmen der Expo 2000 entwickelt wurde und Bootsurlauber willkommen heißt. Es stellt aber keine Qualifizierung oder Klassifizierung dar. Es wird eine „nutzergerechte Anlegesituation" dokumentiert.


PIANC Symbole

Für einzelne Leistungsangebote werden die sogenannten PIANC Symbole (Pictograms for Pleasure Navigation) verwendet, die in Europa den größten Bekanntheits- und Verbreitungsgrad haben. Das sind kleine, meist selbsterklärende Symbole für wassersportliche Einrichtungen, ähnlich denen auf Bahnhöfen oder Flughäfen.


Pro und Contra

Bereits dieser kurze Abschnitt zeigt die Komplexität der Maßnahmen für die Betreiber von Wassersportanlagen und die Schwierigkeiten im Verständnis durch die Nutzer. Der Erfolg der neuen Qualitätssiegel ist vor allem von einer umfangreichen Beteiligung durch die Anbieter abhängig. Solange die Verfahren und Kennzeichnungen derart verschieden und unvollständig sind, stiften Sie mehr Verwirrung und Unsicherheit. Insofern sehe ich den insgesamt hohen Aufwand eher kritisch.


Alternativen: Informationen im Web

Auf der Suche nach guten Rastplätzen und Anlegern sind Sie nicht unbedingt auf solche Zertifizierungen angewiesen. Törnplaner und Hafenführer listen die Ausstattung der Anlagen genau auf, elektronische Karten, allen voran Google Earth zeigen die Einbettung in die Landschaft. Zu fast jedem Hafen gibt es Beschreibungen und Kommentare von Besuchern im Internet. Hier entwickelt sich eine Eigendynamik, die den starren Regelwerken überlegen ist – sicher nicht immer objektiv, aber umfangreich und aktuell.

Ein Gelbe Welle Schild im Yachthafen Mönkebude
Die Gelbe Welle am Yachthafen Mönkebude am Stettiner Haff
Ein Gelbe Welle Schild am Anleger von Havelberg
Oder hier im Yachthafen Havelberg
PIANC Symbole für den Bootstourismus
Typische PIANC-Symbole, wie sie auf Schildern der Gelben Welle oder des blauen Bandes verwendet werden